2. Dezember 2022

Die Anbieter erneuerbarer Energien spielen eine zentrale Rolle

Gerade in bewegten Zeiten ist es wichtig, im Energiemarkt nicht als Einzelkämpfer unterwegs zu sein. Prokon bringt sich unter anderem im Bundesverband der Energie- und Wasser­wirtschaft ein. Was dessen Chefin - Kerstin Andreae - zur aktuellen Lage sagt.

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Versorgungssicherheit, Entwicklung der Energiepreise, Abschöpfung von „Zufallsgewinnen“, die Bedeutung der Erneuerbaren: Im Interview nimmt Kerstin Andreae, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), zu den drängenden Fragen Stellung.

Der Winter steht vor der Tür. Wie steht es um die Versorgungssicherheit bei Strom und Gas?

K. Andreae: Die Energiewirtschaft arbeitet seit Beginn des russischen Angriffskrieges mit Hochdruck da­ran, die Versorgung mit Strom und Wärme in Deutschland sicherzu­stellen. Sollte es dennoch zu einem akuten Engpass kommen, kann die Bundesnetzagentur in den Gasmarkt eingreifen und einzelnen Industrieunternehmen oder Industriezweigen vorschreiben, ihren Gasverbrauch zu drosseln. Haushaltskunden und soziale Einrichtungen wie beispielsweise Krankenhäuser sind durch gesetzliche Bestimmungen jedoch weiter besonders geschützt. Die Energiewirtschaft und die Bundesregierung tun alles, um Engpässe zu vermeiden. Uns muss aber auch klar sein: Dieser und der kommende Winter werden für uns alle ein hartes Stück Arbeit.

Die Gaspreise, aber auch die Strompreise sind enorm gestiegen. Welche Entwicklung erwarten Sie hier?

K. Andreae: Der Druck auf die Energiepreise ist aufgrund des Krieges in der Ukraine enorm. Seit Jahresbeginn haben sich Großhandelspreise für Strom- und Gas etwa vervierfacht. Es ist daher gut, dass die Bundesregierung verschiedene Maßnahmen plant oder zum Teil schon ergriffen hat, um Verbraucher, aber auch die Industrie zu entlasten. Klar ist aber auch: Ein hundertprozentiger Ausgleich der Belastungen wird angesichts der historischen Dimensionen, in denen wir uns bei den Energiekosten bewegen, leider nicht möglich sein. Es bleibt deshalb für alle sehr wichtig, so viel Energie wie möglich einzu­sparen. Die Energiewirtschaft wird ihre Kundinnen und Kunden dabei, wo es geht, unterstützen.

Die Bundesregierung will die Kosten für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen deckeln. Eine gute Idee?

K. Andreae: In der aktuellen Situation braucht es schnelle, wirksame und umsetzbare Entlastungen. Die Expertenkommission Gas hat hierzu sinnvolle Vorschläge vorgelegt, mit denen bereits im Dezember für die Haushalte eine erste zusätzliche Entlastung möglich ist. Die Politik ist jetzt aufgerufen, schnell einfach umsetzbare gesetzliche Regelungen zu verabschieden. 

Was kann – außer hohen Preisen – Anreiz zum Sparen geben?

K. Andreae: Es geht um Solidarität. Jeder kann und muss wo immer möglich Gas einsparen – vom Industriebetrieb bis zum einzelnen Haushalt. Es gibt natürlich auch einen sicherheitspolitischen Anreiz: Wenn wir alle gemeinsam erfolgreich sind beim Einsparen, machen wir uns auch unabhängig von Gaslieferungen aus Russland.  

Von den hohen Preisen profitieren die Erzeuger – nicht zuletzt von erneuerbaren Energien. Andererseits brauchen die das Geld für Investi­tionen. Wie lassen sich da „Zufallsgewinne“ sinnvoll abschöpfen?

K. Andreae: Wir sehen im Grundsatz, dass die Branche sich an den Folgen der Krise finanziell beteiligen soll, und haben ausdrücklich Verständnis für kurzfristigen staatlichen Handlungs­be­darf. Wir stehen zu unserer Verantwortung und möchten uns solidarisch zeigen. Die EU sieht nun eine Gewinnabschöpfung oberhalb 180 Euro/MWh vor. Sie lässt den Mitgliedsstaaten allerdings Spielraum bei der Ausgestaltung. Die nun bekannt gewordenen Vorschläge sehen wir allerdings kritisch: Insbesondere die vorgeschlagene rückwirkende Regelung ist hochproblematisch. Das würde das Vertrauen in den Investitionsstandort Deutschland nachhaltig gefährden – und wäre angesichts der notwendigen Milliarden-Investitionen in die erneuerbaren Energien absolut kontraproduktiv. Die zur Abwicklung diskutierten Vorschläge sind deutlich zu kompliziert und zu bürokratisch. Das hat mit der Losung, das Vorhaben möglichst einfach zu gestalten, nichts zu tun. Die Bundesregierung sollte daher eine Lösung über eine Besteuerung prüfen.

Welche Rolle spielen die Produzenten bzw. Anbieter von erneuerbaren Energien für die Versorgungssicherheit und das Preisniveau? 

K. Andreae: Eine ganz zentrale, unverzichtbare Rolle. Investitionen in erneuerbare Energien sind entscheidend, um die aktuelle Energiekrise zu überwinden. Für eine sichere, unabhängige Energieversorgung der Zukunft sind der Ausbau der Erneuerbaren, der Bau neuer Speicher sowie der Aus- und Umbau der Netze unabdingbar. Erneuerbare Energien tragen dazu bei, kurzfristig das Stromangebot zu erhöhen und damit die Preise zu senken und langfristig unabhängig von fossilen Energieträgern zu werden. Sie sind die Basis für eine klimafreundliche Stromversorgung, Industrie und Mobi­lität. Ihr schleppender Ausbau muss dringend beschleunigt werden. 

Wie lassen sich da Hemmnisse überwinden?

K. Andreae: Der Krieg in der Ukraine macht deutlich, dass wir uns schneller als gedacht unabhängig von fossilen Energieimporten machen müssen. Es muss allen Beteiligten klar sein: Wir brauchen Verantwortung und schlanke Verfahren auf allen staatlichen Ebenen für einen ambitionierten erneuerbaren-Ausbau. Die Bundesregierung hat einiges auf den Weg gebracht, was den Ausbau beschleunigen kann. Zentral dafür ist die generelle Einordnung, dass die Nutzung der Erneuerbaren Energien im „überragenden öffentlichen Interesse“ liegt. Dennoch bleibt es weiterhin wichtig, die Planungs- und Genehmigungsverfahren deutlich zu beschleunigen. Außerordentlich wichtig ist außerdem, dass genug Flächen für die Erneuerbaren zur Verfügung stehen. Ebenso von übergeordneter Bedeutung ist die Festlegung von verbindlichen Flächenzielen für die Windenergie an Land in Bundesländern. Sie müssten nur wesentlich schneller kommen als bis Ende 2032: Will die Regierung die nötigen und im EEG festgelegten Ausbauziele bis 2030 erreichen, müssten bereits bis zum Jahr 2025 zwei Prozent tatsächlich bebaubare Fläche des Bundesgebiets vollständig ausgewiesen sein.

Zur Person: Kerstin Andreae

Die 54-jährige Diplom-Volkswirtin saß für die Grünen im Bundestag und ist seit 2019 Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft. Der BDEW vertritt rund 1900 Unternehmen u.a. aus den Bereichen Strom, Erdgas, Wärme, Erneuerbare Energien und Wasser.
K Andreae Bdew Trutschel